Jens Brambusch: Tausche Büro gegen Boot

»Immer noch warte ich auf den Tag, an dem ich das, was ich hier mache, hinterfragen werde. Aber er kommt einfach nicht. Zu groß die Vorfreude auf das, was noch kommen mag. Zu nichtig das, was ich hinter mir gelassen habe. Zu gut meine ersten Eindrücke.«
Jens Brambusch

Jens Brambusch sitzt an Heiligabend 2017 allein in seiner Berliner Wohnung, unfähig, das Haus zu verlassen. Angstzustände und Panikattacken quälen ihn. Ein paar Wochen vorher ist er auf dem Weg in die Redaktion des Wirtschaftsmagazins Capital: »Mein Herz rast, auf der Stirn bilden sich Schweißperlen. Ich habe das Gefühl umzukippen. Dabei sitze ich. (…) Und dann ist da diese Sperre im Kopf, wie eine unendlich hohe Mauer, direkt vor mir. Ich setze den Blinker, verlasse den Weg, der zur Arbeit führt, und werde erst ein wenig ruhiger, als ich vor der Tür meines Hausarztes anhalte. Ich hatte eine Panikattacke. Nicht die erste in meinem Leben. Aber dieses Mal, das spüre ich, ist es anders. Schlimmer. Dauerhaft. Seit zwei Jahren geht es mir von Monat zu Monat schlechter. Keiner bemerkt das. Weil ich es verstecke. Vor den anderen, vor allem aber vor mir selbst. Ich dulde keine Schwäche. (…) Burnout ist in meiner Welt etwas für Schwächlinge. (…) Ich definiere mich über Leistung.« Doch weder an diesem Tag noch in den kommenden Wochen oder Monaten wird Jens Brambusch in der Redaktion ankommen, obwohl er seinen Job liebt.

Zu dieser Zeit nimmt Jens Brambusch jede Aufgabe an: »All das kostete Energie. Unglaublich viel Energie. Die Flamme, die mich anheizte, wurde immer kleiner. Und an diesem Tag im November 2017, das spüre ich, ist sie ausgegangen.« Es beginnt die schlimmste Zeit seines Lebens.

Durch Zufall entdeckt er den YouTube-Kanal der SV Delos. Er handelt von zwei Brüdern, die mit Freundinnen und Freunden seit neun Jahren um die Welt segeln. Er ist fasziniert von den Filmen, hat selbst von klein auf alle
Urlaube auf Schiffen verbracht: »Und wie ich da so liege, auf meinem Sofa, gefangen in mir selbst, (….) wächst die Sehnsucht in mir. Aus dem Traum vom Aussteigen, dem Gedanken, alles über Bord zu werfen, um an anderer Stelle Anker zu werfen, wird ein konkreter Plan. Der Plan macht mir Mut, verleiht mir Kraft – die Lethargie weicht dem Leben. Ich fange an zu
kalkulieren. Kann ich mir einen Ausstieg mit Mitte vierzig überhaupt
leisten?«

Wie ihm dieser Ausstieg gelingt, beschreibt Jens Brambusch in seinem Buch Tausche Büro gegen Boot Von einem der ausstieg, um segeln zu gehen, das im DuMont Reiserverlag erscheint. Ein Jahr später hat er sich ein Boot namens Dilly-Dally gekauft und Deutschland verlassen. Über Weihnachten 2018 schreibt Jens Brambusch: »Und jetzt (…) bin ich in der
Türkei, lebe auf einem Boot und feiere ein unbeschwertes Fest mit neuen Freunden. Am Abend, nachdem der letzte Gast die Dilly-Dally lallend und lachend verlassen hat, wird mir erst bewusst, wie sehr mein Leben sich in den vergangenen zwölf Monaten verändert hat. Ich war durch die Hölle
gegangen. Und bin im Himmel auf Erden gelandet. Es hätte auch anders
kommen können. Ganz anders.«

In amüsanten wie nachdenklichen Anekdoten schildert Brambusch seinen Alltag an Bord, berichtet von Missgeschicken und herrlichen Momenten, gibt Ein- und Überblicke. Eine Inspiration für all diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, mehr aus ihrem Leben zu machen.

Ebenfalls von Jens Brambusch im DuMont Reiseverlag erschienen: Rollkofferterroristen – Die selbstironische Abrechnung eines Berliner Airbnb-Gastgebers

Jens Brambusch: Tausche Büro gegen Boot – Von einem, der ausstieg, um segeln zu gehen
DuMont Reiseverlag
288 Seiten
Preis: € 16,95 (D)  / 18,50 (A) / 23,90 (CH)
ISBN: 978-3-7701-9191-8

Erscheint am: 10. Mai 2022