„Der schwierigste Teil jedes Abenteuers ist dieser eine Moment. Die Entscheidung einen Anfang zu machen, in Bewegung zu kommen, die Grenzen deiner Normalität zu verschieben, vielleicht sogar dein ganzes Leben umzukrempeln.“ Alastair Humphreys
Alastair Humphreys hat in seinem Leben schon so gut wie jedes Abenteuer gemeistert. Er radelte mit dem Fahrrad um die Welt, reiste durch Südindien und die Wüste Rub al-Chali, durchquerte Island mit dem Schlauchboot, ruderte über den Atlantik und unternahm Expeditionen nach Grönland und auf dem arktischen Ozean nahe dem Nordpol. Man kann ihn also mit Recht einen echten Abenteurer nennen. Nach vielen Jahren stellt er nun aber fest, dass er auf der Stelle läuft und dass er „schon seit Jahren auf demselben Stuhl gesessen hatte und aus dem Fenster des Pendlerzuges starrte. Dieselben Programme wiederholten sich immer wieder“. Da kommt ihm ein Buch mit dem Titel „As I walked out one midsummer morning“ von Laurie Lee in den Sinn, welches er das erste Mal in seiner Jugend las und das ihn seitdem nicht mehr losließ. Lee reist in diesem Roman nur mit einer Geige durch Spanien und verdient sich sein tägliches Essen als Straßenmusiker. Humphreys will es ihm nachtun. Vier Wochen, 500 km von Vigo aus zu Fuß bis Madrid. Es gibt an der Sache nur einen Haken: Er kann weder Geige noch sonst irgendein Instrument spielen und seit seiner Kindheit hat er panische Angst vor öffentlichen Auftritten. Die besten Voraussetzungen also, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Ganz nach dem Motto: „Abenteuer bedeutet etwas zu unternehmen, dass dir Angst macht und zu riskieren, dass du daran scheiterst und bei der Verfolgung leidvolle Erfahrungen machst“ beschließt er, diese Reise anzugehen. Den traditionellen Abenteuerkram kennt er, wie er selbst sagt, nur zu gut. Das würde der leichte Teil der Reise sein. „Abenteuerlich zu leben erfordert, dass du freiwillig und bewusst über dich hinausgehst – um Spannung, Sinn und Wachstum willen – und wenn es nur bedeutet, vor einer Handvoll Leute auf einem sonnigen, schläfrigen Platz Geige zu spielen“.
Bleibt also nur noch eine Sache — er muss es irgendwie schaffen innerhalb von sieben Monaten Geige spielen zu lernen. Kurz danach sitzt er auch schon in seiner ersten Geigenstunde und muss kläglich feststellen: „Ich wusste, dass sich eine Geige in den Händen eines Anfängers schrecklich anhört. Mir war nicht klar, dass es einem Schauer über den Rücken jagt. Ich würde in Spanien verhungern“. Ausgestattet mit drei Melodien startet seine Reise sieben Monate später. Nachdem er sein letztes Geld auf einer Parkbank zurückgelassen hat, zwingt er sich auf dem Plaza de Princesa in Vigo an einem Brunnen das erste Mal zu spielen. Zunächst noch unsicher, aber bald mutiger. Am Ende eines langen Tages, nach unzähligen Fehlern, schauderhaftem Quietschen, Schweißausbrüchen und einem gut gemeinten Ratschlag eines Einheimischen zu seiner Version von Guantanamera, verdient er sich tatsächlich seine ersten 4 Euro und ist von seinem Reichtum überwältigt. Er muss weder verhungern noch irgendwie versuchen wieder nach Hause zu kommen. Es kann weiter gehen.
So wie er nach und nach selbst in das Land eintaucht, so taucht auch der Leser in Humphreys Gedankenwelt ein. Er erzählt von seinem Leben zwischen Familienglück und Abenteuersehnsucht, von den Tagen der Reise, von der Angst, die ihn begleitet und seiner Reise auf den Spuren seines Vorbilds, unter blauem Himmel in völliger Freiheit.
Alastair Humphreys, 1976 geboren, ist einer der bekanntesten britischen Abenteurer. Er verbrachte über vier Jahre damit, die Welt zu umradeln. In jüngster Zeit ist Alastair durch Südindien gelaufen, über den Atlantik gerudert, hat Island durchquert, an einer Expedition in der Arktis teilgenommen und die Mikroabenteuer erfunden. Er wurde zu einem der „National Geographic Adventurer of the Year“ ernannt.
Alastair Humphreys: Ein Sommer, drei Melodien, kein Talent – Meine abenteuerliche Reise als Straßenmusiker durch Spanien
DuMont Reiseverlag
256 Seiten
Preis: € 14,95 (D) /
16,50 (A) / 21,90 (CH)
ISBN: 978-3-7701-6692-3
Erscheint am 11. Februar 2020